Gleich vorab: Wie kommt man dazu eine Vater-Kind-Kur(z)geschichte zu schreiben? Hierzu folgende Grundvoraussetzungen um eine Vater-Kind-Kur überhaupt beantragen zu können:
Mann hat Kinder
(ohne wird es schwierig – denke ich)
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Mann möchte seine Kinder kennen lernen (nachdem man sich schon die Namen und Geburtsdaten eingeprägt hat)
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Mann kennt jemand, der jemand kennt, der die Untiefen eines
Kurantrages kennt
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Mann hat ein geeignetes
Störungsbild
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Mann sagt am Ende der Kur
einmal zu laut das Erlebte verschriftlichen zu wollen
Mein Hausarzt hat mir dann bescheinigt reif für die Insel zu sein. Die Krankenkasse hatte auch gleich das Einsehen und gewährte mir die Kur.
Die Anmeldung und Reservierung seines Wunsch-Kur-Zieles sollte man auf jeden Fall rechtzeitig vornehmen, um nicht ggf. in der Pampa zu landen. Ok, Borkum (mein gewähltes Ziel) liegt auch am Ende der Welt, aber ein sehr schönes Ende der Welt wie ich erfahren durfte!
Und dann stand plötzlich der Tag der Abfahrt an. Bis zuletzt hatte ich befürchtet, dass eines der Kinder kalte Füße bekommt und sich weigert in den Zug zu steigen. Aber nein, die Abfahrt verlief ohne Tränen. Erst im Zug musste sich Henriette (5 Jahre, das Papakind) ein paar Tränen verkneifen. Charlotte (9 Jahre, das Mamakind) ist über den Zenit am Rockzipfel zu hängen hinweg und war ganz cool.
Zum Gepäck: Um die Bahnreise mit nicht allzu viel Gepäck begehen zu müssen, hatte meine Frau die Koffer (DREI! Koffer) mit der Post voraus-geschickt. Drei Koffer sind schon völlig normal, wenn man nicht plötzlich mit drei weiteren Koffern, Provianttasche und Spielzeugbeutel am Bahnhof rausgeworfen wird. Ich übertreibe höchstens ein bisschen! Bei der Kur haben zumindest alle mit dem Kopf geschüttelt und mir Trost gespendet.
Die Reise haben wir dann in vollen Zügen genossen. Auf der Fähre konnte man dann bereits analysieren wer evtl. in die Kurgruppe gehören könnte. Die hilfsbereite Mano z.B. mit ihren beiden Kindern half älteren Menschen (40+) mit ihrem Gepäck.
Bei der Ankunft zeigte sich dann, wer geübter Inselbesucher ist. Es gab „Fluchtrouten“ auf denen man besonders schnell zur wartenden Inselbahn am Hafen kam. Wir, die Ungeübten, durften auf die nächste Bahn warten.
Im Ort Borkum angekommen wurden wir vom Kurhaus-Personal abgeholt. Wie die Lemminge folgten wir zum Kurhaus. Ich war erleichtert, dass es auch weitere Väter gab. Was mich unterschieden hat: Ich war der mit dem meisten Reisegepäck.
Zur Begrüßung wurden wir darauf hingewiesen, dass man sich stufenweise an das „Hochseeklima“ gewöhnen soll (erster Tag Hinter-land, zweiter Tag Strandnah, erst am dritten Tag an die Küste). Meine anfängliche Meinung: Pah, was soll das denn? Luft ist Luft, egal ob diese vom Meer kommt oder sonst woher. Daher: Mädels wir gehen gleich an den Strand! Die ersten Tage waren wir dann abends seltsam früh müde.
Ansonsten waren wir die ersten Tage noch sehr diszipliniert. Pünktlich beim Aufstehen, ins Bett gehen, Essen und bei den Therapiean-wendungen. In der Kureinrichtung gab es ein Alkohol- und Rauchverbot (wohlgemerkt: in). So fanden sich bereits nach ein paar Tagen rund um das Haus und am Strand gleich-gesinnte „Genussmenschen“.
Phänomenal waren die abendlichen Sonnenuntergänge welche geo-grafisch und jahreszeitlich bedingt erst kurz nach 22:00 Uhr stattfanden.
Zu spät habe ich den Umgang des Kurtelefons als Babyphone gecheckt! Also mussten die Kinder mit an den Strand. Meine Vermutung: Die Strandspielplätze wurden eigens dafür geschaffen, dass Eltern im Liegestuhl sitzen und Aperol Spritz trinken können. Und so gingen die Tage dahin.
Durch diese Routine wurde das morgendliche Aufsteh- und Früh-stücksritual optimiert: Kinder wecken 8:00 Uhr. In die Jacke springen: 8:10 Uhr. Frühstücken (Cornflakes in kreisrunde Gesichtsöffnung jong-lieren) bis 8:30 Uhr. Übergabe in Tagesbetreuung 8:33 Uhr.
Man selbst hatte dann sein Pro-gramm: von Nordic Walking, Bewegung, Kindererziehung in der Theorie (vor allem für Väter ganz neue Einblicke), div. Entspannungs-übungen (sehr gut geeignet, um das eigene Schlafdefizit aufzuholen), wie finde ich zu mir selbst und was mache ich dort usw..
Natürlich habe ich mich auch intensiv um das Kindeswohl und gemeinsame Ausflüge gekümmert. Mit geliehenen Rädern ging es kreuz und quer über die Insel.
Aufgrund der überschaubaren Größe war dies nach drei Tagen erledigt.
Was kann man noch machen? Ach ja, es gibt einen Flugplatz. Wenn man ca. 10 Stunden Zeit mitbringt, kann man auch mal die Landung eines C-Promis beobachten. Kutschfahrten kommen bei Kindern auch gut an. Auf dem Leuchtturm haben die Mädels ihren Leuchtturmpass bestanden.
Stichwort Leuchtturm. Der Abend als mir die Funktion des Babyphons nahegebracht wurde, hatte ich mich auf dem Leuchtturm verabredet um den Sonnenuntergang zu genießen. Als ich die 308 Stufen zur Aussichtsplattform hinter mir hatte und endlich oben war, hatte ich leider nur ca. eine Minute die Gelegenheit die Aussicht zu genießen, denn dann kam der Anruf von den auf dem Sofa geparkten Kindern (über Babyphone-funktion). Was ich bei der Einrichtung der Funktion übersehen hatte: Dass ich auf laut geschaltet bin und mich verständigen kann, war deaktiviert. So hörte ich zwar die Kinder, sie mich aber nicht. Ihr Anliegen haben sie mir unterdessen auch nicht mitgeteilt. Also bin ich die 300undnochwas Stufen wieder hinunter, um nach deren Nöten zu schauen. Meine Sorge war durchaus berechtigt: Es ging darum eine Tüte Erdnussflips öffnen zu dürfen.
In der letzten Woche hatte sich meine jüngste Tochter Jetti dann auch den berüchtigten Inselhusten zuge-zogen. Um der großen Tochter gerecht zu werden, wurde dann die Kleine einen Abend im Zimmer zurückgelassen. Wir konnten nun auch wechselseitig kommunizieren. Lotte übte Radschlagen am Strand, während mir Jetti live vom Klo berichtete. Um den laufenden Film nicht zu verpassen, wartete sie dann mit heruntergelassener Hose, vor dem Fernseher stehend auf Papas professionelle Nachreinigung.
Rundum hatten wir eine schöne Zeit. Mir würden noch einige weitere Anekdoten einfallen. Aber irgend-wann muss ich ein Ende finden. Abschließend nur noch eins. Als Vater ist man auf einer Vater-Kind-Kur doch von einigen Müttern umgebeben – also ein bisschen wie der Hahn im Korb – oder eben in Kindersprache übertragen – der Esel im Kuchen.
Vielen Dank euch allen für die schönen Tage, natürlich auch dem wirklichen tollen Kurpersonal!
Liebe Grüße vor allem an Bianca, Kathrin und Robert, Alesja und Eugen, Jessica, Mona, Andreas (beide), Karin, Sandra, Lisa, Murat u. Fjonda, Fiona und alle die meine grauen Zellen bereits ver(b)lassen haben. Nächste Klassenfahrt für Erwachsene in vier Jahren.
Euer Matthias