Erlebnisreise zur Zeit des Brutverlaufs 2023 beim  Steinkauz „Athene noctua“ im Kreis Minden-Lübbecke

    Brut- und Jungvogel an Naturhöhle in ca. dreihundertjähriger Linde. (Foto: Jürgen Heinrich)
    Brut- und Jungvogel an Naturhöhle in ca. dreihundertjähriger Linde. (Foto: Jürgen Heinrich)

    Der Klimawandel führt auch bei den Steinkäuzen zu Problemen. So wurde das Jahr 2022 bundesweit als ein schlechtes Jahr für die Jungenaufzucht der Käuze eingestuft. Die Grundnahrung für Jungvögel, wie Regenwürmer, war im Mai aufgrund der extremen Trockenheit für die Altvögel nicht erreichbar. Dies führte zu mehr Brutausfällen als allgemein üblich. Teilweise fiel die Brut aus oder aber das Gelege wurde verlassen. Selbst geschlüpfte Jungvögel fielen den Altvögeln bei ihrer Nahrungsaufnahme zum Opfer.

    Der Brutverlauf im Jahr 2023 mit neuen Hoffnungen und Erwartungen

    Flugbild in unmittelbarer Nähe zum Brutplatz.
(Foto: Jürgen Heinrich)
    Flugbild in unmittelbarer Nähe zum Brutplatz. (Foto: Jürgen Heinrich)

    Abbildung 1: Flugbild in unmittelbarer Nähe zum Brutplatz.

    (Foto: Jürgen Heinrich)                                                                                       

    Die erst Aktion zu Jahresbeginn ist das Verhören der Käuze mit einer Klangattrappe. Dies dient zur Feststellung der Steinkauzpopulation im Kreisgebiet. Empfohlen wird die Zeit von Mitte Februar bis Mitte April. In bestimmten Zeitabständen (maximal drei Wiederholungen) wird der Ruf des Steinkauzes mit der Klangattrappe simuliert. Ist ein Kauz anwesend, meldet er sich spätestens nach der dritten Rufwiederholung. Seine Ruferwiderungen dienen der Revierverteidigung sowie der Partnersuche. Weitere Kauzrufe mithilfe der Klangattrappe sind zu unterlassen. Eine Wiederholung zu einem späteren Zeitpunkt ist möglich. Bei diesen Aktionen stellt man fest, dass oft ruffreudige, aber auch stille Käuze ein Revier besetzen.

    Die im Kreis Minden-Lübbecke durchgeführten Rufkontrollen erreichten im März 2023 ihren Höhepunkt. In Hille-Südhemmern und Hille Nordhemmern war im Rahmen der Rufkontrolle ein ausgedehntes „Konzert“ der anwesenden Käuze zu hören. Dies war offenbar die Voraussetzung für den erfolgreiche Start in die neue Brutsaison, wie sich im Verlauf der späteren Nistkastenkontrollen herausstellte.

    Ab Mitte April beginnt der Steinkauz mit der Eiablage. Ein Gelege besteht normalerweise aus drei bis fünf Eiern. Es können aber auch Gelege mit bis zu acht Eiern vorkommen.

    Von Ende April bis Anfang Mai werden alle Niströhren mit einer Infrarotkamera, die von vorn in den Nistkasten eingeführt wird, auf Besatz durch den Kauz kontrolliert. Die gemachten Beobachtungen werden dokumentiert. Ist der Nistkasten z. B. durch Star, Meise oder andere Bewohner belegt, wird er zur Reinigung erst im Herbst wieder aufgesucht. Bei allen mit Käuzen besetzten Röhren erfolgt die Kontrolle Ende Mai bis Anfang Juni zur Feststellung der Brutergebnisse.

    Die erste Kontrolle in diesem Jahr auf zu beringende Jungkäuze fand am 22.05.2023 statt. Weitere Brutkontrollen folgten kontinuierlich.

    Jedes Brutjahr hat aber auch seine Besonderheiten, die oft Fragen aufwerfen.

    Von zwei besonderen Beobachtungen im Jahr 2023 soll berichtet werden:

    Erste Besonderheit:

    Ein außergewöhnliches Ereignis geschah an einer Niströhre im Randbereich eines großen Torfmoores. Am 16.05.2023 wurden zwei tote Altvögel unterhalb der Röhre liegend gefunden. Die Todesursache konnte nicht mehr festgestellt werden. Sie trugen Ringe mit den Nummern 4434837 und 4447611.

    Tote Brutvögel unterhalb der Niströhre.
(Foto Christian Gosewehr)
    Tote Brutvögel unterhalb der Niströhre. (Foto Christian Gosewehr)

    Abbildung 2: Tote Brutvögel unterhalb der Niströhre.

    (Foto Christian Gosewehr)                          

    Zur Geschichte der beiden Steinkäuze:

    4434837      

    – wurde am 02.06.2018 als Brutvogel hier beringt.                                 

    – am 06.06.2018 wurden aus der Brut vier Jungvögel beringt.                                           

    – am 04.06.2019 wurde aus der Brut ein Jungvogel beringt.                                            

    – am 18.05.2020 wurden aus der Brut drei Jungvögel beringt.                                         

    – 2021 war die Brut erfolglos, da 9 Eier unbefruchtet waren.

    4447611     

    – wurde am 23.05.2022 als Brutvogel hier beringt.                                                               

    – 2022 war die Brut erfolglos, da 7 Eier unbefruchtet waren.                             

    Da nach dem Totfund der beiden Brutvögel weiterhin Steinkäuze in der Nähe des

    Nistkastens gehört und gesehen wurden, fand am 04.06.2023 eine Kontrolle

    der Brutröhre statt:

    4198651     

    – wurde als neuer Brutvogel hier beringt, er brütete auf 3 Eiern.

                         

    – am 23.06.2023 waren drei Jungvögel (2 bis 3 Tage alt) geschlüpft.

                           

    – am 07.07.2023 wurden die 14 Tage zuvor geschlüpften 3 Jungvögel beringt.

    Niströhre mit Brutvogel 4198651 und den vor ca. 2 Tagen geschlüpften Jungen.
(Foto: Gerhard Neuhaus)
    Niströhre mit Brutvogel 4198651 und den vor ca. 2 Tagen geschlüpften Jungen. (Foto: Gerhard Neuhaus)

    Abbildung 3: Niströhre mit Brutvogel 4198651 und den vor ca. 2 Tagen geschlüpften Jungen.

    (Foto: Gerhard Neuhaus)

    Vermutungen zur Todesursache beider Steinkauzweibchen

    Das 2021 abgefangene Weibchen 4434837 saß im hinteren Niströhrenbereich auf vier Eiern. Gleichzeitig befanden sich in der Mitte der Niströhre weitere fünf Eier, welche ein zweites unbekanntes Weibchen abgelegt haben könnte. Es ist keine Seltenheit, dass zwei Weibchen in die gleiche Niströhre Eier legen.

    Im Jahr 2022 wurde das unbekannte Weibchen aus 2021 auf sieben Eiern abgefangen und mit Ringnummer 4447611 beringt. Es bestand die Möglichkeit, dass beide Weibchen 2021/2022 gleichzeitig in der Niströhre Eier ablegten. Alles blieb entspannt, da ein Männchen zur Kopulation fehlte. Das würde auch erklären, warum alle in den beiden Jahren gelegten Eier unbefruchtet waren und Nachwuchs ausblieb.

    Im Jahr 2023 tauchte ein neues Steinkauz-Paar auf und belegte die Niströhre. Es kam offensichtlich zur Auseinandersetzung mit den bekannten Weibchen 4434837 und 4447611, bei dem sich das neue Paar behauptete und danach mit Erfolg die Brut abschloss.

    Die Antwort zur Todesursache der zwei Weibchen bleibt offen. Führte ein  Besitzanspruch der Niströhre zum Kampf mit Todesfolge?

    Zweite Besonderheit:

    Zwei von Ackerflächen umgebene Hofanlagen der Familien Zimmermann und Münster sind durch einen Straßenverlauf voneinander getrennt. Im Jahr 2012, nachdem man bei Familie Münster einen Steinkauz beobachtet hatte, wurden zwei Niströhren für den Kauz montiert. Das in der Folgezeit durchgeführte Verhören mit der Klangattrappe blieb bis zum Jahr 2021 erfolglos. Jedoch im März 2022 war ein reges Rufkonzert hörbar.

    In einer Jahrhunderte alten Linde hatte der Kauz einen Brutplatz gefunden und erfolgreich zwei oder drei Jungvögel erbrütet. Daraufhin wurden die Niströhrenauf den Hofanlagen neu platziert: eine bei Familie Zimmermann in einer Eiche am Straßenrand, die zweite Röhre bei Familie Münster seitlich an einem Holzschuppen.

    Am 27.04.2023 kam die erfreuliche die Meldung: Steinkauz brütet in Röhre auf der Hofanlage Zimmermann. Am 12.06.2023 erfolgte die Beringung der fünf Jungkäuze.

    Am 17.06.2023 berichtete Familie Münster, dass sie den regelmäßigen Flugverkehr eines Steinkauzes ab ca. 21 Uhr beobachten könnten. Der Kauz flog jeweils mit Nahrung zur alten Linde, dem Brutplatz aus dem Vorjahr 2022. Diese Beobachtung machten mehrere Personen auch am Dienstag der darauffolgenden Woche ab 21:15 Uhr. Die Bilder eines Fotografen, aufgenommen am 22.06.2023, dokumentieren die erfolgreiche Brut mit mindestens zwei Jungvögeln in einer Naturhöhle der alten Linde. Bemerkenswert ist, dass die beiden Bruten bei Familie Zimmermann und Münster nur 80 – 90 Meter voneinander entfernt sind.

    Brut- und Jungvogel an Naturhöhle in ca. dreihundertjähriger Linde.
(Foto: Jürgen Heinrich)
    Brut- und Jungvogel an Naturhöhle in ca. dreihundertjähriger Linde. (Foto: Jürgen Heinrich)
    Brut- und Jungvogel an Naturhöhle in ca. dreihundertjähriger Linde.
(Foto: Jürgen Heinrich)
    Brut- und Jungvogel an Naturhöhle in ca. dreihundertjähriger Linde. (Foto: Jürgen Heinrich)

    Abbildung 4+5: Brut- und Jungvogel an Naturhöhle in ca. dreihundertjähriger Linde.

    (Foto: Jürgen Heinrich)

    Jahresabschluss

    Waren 2023 einige der in den Vorjahren erfolgreich besetzten Röhren nicht belegt, gab es erfreulicherweise bei den in 2022 neu aufgehängten Niströhren einen Ausgleich durch erfolgreiche Erstbesetzung. Das Gesamtergebnis mit 156 beringten Jungvögeln sichert den weiteren Fortbestand der Steinkauzpopulation im Kreis Minden-Lübbecke.

    Hinweise über Vorkommen in Form von Sichtungen und Lautäußerungen nehmen gern entgegen:

    für den Altkreis Lübbecke – Karsten Grewe; karstengrewe@t-online.de

    für den Altkreis Minden — Gerhard Neuhaus; gneuhaus@gmx.de

    Beitrag von Gerhard Neuhaus, 09/2023