Mit dem Auszeitgarten hat die Wichernschule der Diakonie Stiftung Salem einen naturnahen Lernraum für Schülerinnen und Schüler geschaffen
Mit ausladenden Bewegungen zieht die Schülerin ihren Stock durch den Sand. Übergroß, etwas krakelig, aber doch gut lesbar malt sie die Buchstaben ihres Vornamens. Was im Sand des Auszeitgartens klappt, klappt später auch auf dem Papier im Klassenraum, hat Sabine Niemann beobachtet. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen hat die Lehrerin den Auszeitgarten auf dem Gelände der Wichernschule angelegt. Ein besonderer Lern- und Rückzugsort für die Schülerinnen und Schüler der Förderschule für geistige Entwicklung.
Wer beim Begriff „Auszeitgarten“ ein blühendes Biotop erwartet, ist beim Anblick des Areals allerdings überrascht. Statt üppigem Grün dominieren Rindenmulch und Sandflächen. Den Lehrkräften fehlt aber nicht etwa der grüne Daumen, genau so sieht es das pädagogische Konzept des Auszeitgartens vor. „Minimalismus zur Selbstregulierung“, nennt das Sabine Niemann. „Die Kinder haben uns gezeigt, dass sie Material brauchen, das sich ständig verändern kann“, sagt die Pädagogin. Baumscheiben, Äste, Sand und Steine werden hier zu individuellen natürlichen Lernmaterialien. So können die Schülerinnen und Schüler ihre Umgebung mit allen Sinnen erfahren. Selbst Hand anlegen ist gefragt, auch wenn es mal dreckig wird. Schäufelchen oder Eimer, wie auf klassischen Sandspielplätzen, gibt es nämlich nicht. Und in der kleinen Gartenhütte lagern weder Blumenerde noch Heckenschere, hier können Schülerinnen und Schüler an ihren Lernmaterialien aus dem Unterricht arbeiten und gleichzeitig die Gartenatmosphäre auf sich wirken lassen. „Der Auszeitgarten ist kein Schulhof, sondern ein pädagogischer Raum“, erklärt Sabine Niemann.
Wo heute gelernt, gebaut und experimentiert wird, herrschte im Herbst 2022 noch Wildwuchs. Dank der Unterstützung eines anonymen Spenders konnte das völlig überwucherte Areal mit großem Gerät gerodet werden. Ein Aufwand, der sich gelohnt hat, denn heute bietet der Auszeitgarten insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Anpassungsstörungen einen wichtigen Lern- und Rückzugsort. Immer wieder kommt es vor, dass das Klassenzimmer mit seinem begrenzten Platzangebot für diese nicht das richtige Setting ist. Der Auszeitgarten bietet dann einen Raum zur Entspannung und Abgrenzung. Besonders von den Integrationshelferinnen und -helfern der Wichernschule wird das Gelände daher gern und häufig genutzt.
Wie jeder Garten braucht auch der Auszeitgarten der Wichernschule von Zeit zu Zeit etwas Pflege. Dafür engagiert sich eine Fachgruppe von sechs Lehrerinnen und Lehrern. Diese haben noch einige Pläne: Gern würden sie zum Beispiel einen naturnahen Bachlauf anlegen, denn gerade der Umgang mit dem kühlen Nass bietet Schülerinnen und Schülern viele basale und kognitive Anregungen. Dafür ist die Förderschule derzeit auf der Suche nach Spenden. (Informationen zum Spendenprojekt auf www.diakonie-stiftung-salem.de) Doch auch wenn hier bald frisches Wasser fließt, ist das Projekt „Auszeitgarten“ noch lange nicht abgeschlossen. Denn gerade der stetige Wandel im Einklang mit der Natur ist es, der diesen Ort so einzigartig macht.
Quelle inkl. Foto 20.11.2024 Diakonie Stiftung Salem