Interviews zur Landratswahl 2022

Am Sonntag, 15.01.2023, wird ein neuer Landrat gewählt. Hintergrund ist, dass die bisherige Landrätin, Anna-Katharina Bölling, zur Präsidentin des Regierungsbezirkes Detmold ernannt wurde. Drei Kandidaten stellen sich nun zur Wahl und wollen Landrat von Minden-Lübbecke werden: Ali Dogan (SPD), Thomas Röckemann (AfD), Jörg-Michael Schrader (CDU).

Insbesondere da in der nächsten Zeit einige relevante Entscheidungen getroffen werden sollen, die sich langfristig auswirken, ist die Wahl wichtig. Zusammen mit dem Petershäger Anzeiger haben wir deshalb alle drei Kandidaten zu einem schriftlichen Interview eingeladen. Von zwei Kandidaten, Herrn Ali Dogan und Herrn Jörg-Michael Schrader haben wir bis zu unserem Redaktionsschluss Antworten auf folgende Themen und Fragen erhalten.

Landratskandidat Ali Dogan von der SPD

Ali Dogan (SPD)

40 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, geboren und aufgewachsen im Kreis Herford, Volljurist, seit 2017 Beigeordneter und seit 2020 Erster Beigeordneter der Stadt Sankt Augustin.

Hobbys: Mittel- und Langstreckenläufer, Kino

Landratskandidat Jörg-Michael Schrader von der CDU

Jörg-Michael Schrader (CDU)

50 Jahre alt, Vater von zwei Söhnen (15 und 17 Jahre), seit 2016 Kämmerer und Dezernent des Kreises Minden-Lübbecke.

Hobbys: Rennradfahren, Besuch von Handball- und Fußballspielen,

Thema: Kliniken

Die Kliniken in Lübbecke und Rahden sollen durch einen Klinik-Neubau in Espelkamp ersetzt werden. Die Krankenhausgebäude in Bad Oeynhausen sollen ebenfalls durch einen Neubau ersetzt werden. Dieses Projekt ist umstritten, insbesondere da viele Bürger befürchten, dass die kalkulierten Kosten von derzeit 528 Millionen Euro am Ende nicht eingehalten werden und die Mühlenkreisbewohner, z. B. über die Grundsteuer, diese Kosten bezahlen. Wie stehen Sie zum Klinikneubau bzw. -sanierung, gibt es ggf. weitere Alternativen, die bislang noch nicht berücksichtigt wurden und wie kann der Kreis dafür sorgen, dass die Kosten – unabhängig von der Umsetzung – im geplanten Bereich bleiben? 

Inwieweit ist es realistisch, dass der Kreis durch Einsparungen sich an der Finanzierung beteiligt, ohne vorher die Kreisumlage entsprechend zu erhöhen?

Das Krankenhaus in Lübbecke, welches 1985 in Betrieb genommen wurde, soll in einem so schlechten Zustand sein, dass es im Durchschnitt u. a. 2 Wasserrohrbrüche in der Woche gibt. Es stellt sich dann natürlich die Frage, wer für diesen Zustand die Verantwortung trägt und wie sichergestellt wird, dass ein Neubau möglichst lange nutzbar ist?

Ali Dogan:

Die bisherige Planung krankt daran, dass es keine seröse Finanzplanung für die Realisierung der Klinikneubauten gibt und die evtl. in Aussicht gestellten Fördermittel nicht für die genannten Baukosten reichen werden. Dabei weiß jeder, dass diese aufgrund der Baukostensteigerungen niemals eingehalten werden können. Wenn dieser Weg nun weitergegangen würde, drohen am Ende entweder überschuldete Kliniken und Kommunen, und/oder dann doch eine Privatisierungsdebatte: Zum Schaden der Patienten und Beschäftigten!  

Der Kreistag hat bereits beschlossen, dafür 1 Prozent des Kreishaushaltes einzusparen: Das rettet das Projekt nicht im Entferntesten. Und schon jetzt, ohne Planungs- und Baukosten, sind für die nächsten Jahre jeweils Erhöhungen der Kreisumlage ausgewiesen.

In NRW ist die Finanzierung von Krankenhausbauten durch das dafür zuständige Land zu gering. Andererseits gibt es jährliche Pauschalen an die Kliniken, die für den Erhalt einzusetzen sind: Ob und warum das in Lübbecke und Bad Oeynhausen nicht geschehen ist, kann ich zur Zeit noch nicht beurteilen. Für die gesamte stationäre und ambulante Gesundheitsversorgung im Mühlenkreis gilt: das werde ich zur Chefsache machen!

Jörg-Michael Schrader:

Für mich gibt es bei dem Thema zwei zentrale Grundsätze: Wir müssen einerseits für die beste wohnortnahe medizinische Versorgung sorgen und zweitens die kommunale Trägerschaft sichern, also eine Privatisierung der MKK verhindern. Um beides zu erreichen, hat der Kreistag einstimmig entschieden, die vier Krankenhäuser in Bad Oeynhausen und im Lübbecker Land in zwei Neubauten zusammenzulegen. Wir müssen auf das vertrauen, was uns Experten aus dem medizinischen Bereich und dem Baugewerbe sagen. Und die raten uns übereinstimmend, dass die Neubauten sowohl finanziell als auch für das Personal der bessere Weg sind. Ich bin Kämmerer und Zahlenmensch, insofern liegt es mir fern, Luftschlösser zu bauen. Ich würde nichts machen, dessen finanzielles Risiko zu hoch ist.

Was die schlechte bauliche Situation im Krankenhaus Lübbecke betrifft, bringt es wenig zurückzuschauen: Ich kann nur versprechen, da immer vorausschauend zu handeln und die deutlich gestiegenen Landesmittel sinnvoll einzusetzen.

Thema: Erdgasförderung durch Fracking

Zur Zeit gibt es Überlegungen Gas in Deutschland zu fördern. Größere Vorkommen in Deutschland gibt es nach einer Karte der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Bereich Niedersachsen sowie dem Kreis Minden-Lübbecke. Das im Schiefergestein vorhandene Gas müsste per Fracking gefördert werden. Wie stehen Sie dazu und welche Möglichkeiten hätten Sie als Landrat Einfluss zu nehmen?

Ali Dogan:

Fracking lehne ich grundsätzlich ab, nicht nur im Kreis Minden-Lübbecke. Eventuelle Bestrebungen träfen auf meinen entschiedenen Widerstand.

Jörg-Michael Schrader:

Ich sehe weder auf Bundes- noch Landesebene eine Mehrheit fürs Fracking und würde dort ansonsten alles, was ich habe, einbringen und die Interessen des Mühlenkreises artikulieren. Die Arbeit eines Landrates hört ja nicht an der Kreisgrenze auf. Ich verstehe das Amt auch so, in Berlin und Düsseldorf Fürsprecher zu sein. 

Thema: Personal und Digitalisierung

Der Kreis Minden-Lübbecke hat ca. 1.700 Beschäftigte. Nun soll eine wesentliche Anzahl von Personen bald das Rentenalter erreichen. Der Kreis kann aktuell viele offene Stellen nicht besetzen, fordert aber dennoch immer mehr Personal. Während hier oft zusätzliche Aufgaben als Begründung genannt werden sorgen sich die Gemeinden um die Kosten, welche durch die Kreisumlage bezahlt werden. Gleichzeitig soll die Verwaltung im Kreis und in den Kommunen digitaler werden, was sicherlich auch Einfluss auf die Beschäftigungsverhältnisse hat. Wie ist Ihre Strategie hinsichtlich Personal und Digitalisierung?

Ali Dogan:

Der Ruf nach mehr Personal ist mir zu kurz gedacht. Wir müssen die bisherige Digitalisierungsstrategie des Kreises deutlich präzisieren, schon allein aufgrund des sich deutlich verschärfenden Fach- und Arbeitskräftemangels. Zum anderen muss eine solche Strategie die Erreichbarkeit und den Service „des Kreises“ verbessern, aber auch die Qualität der Arbeit der Beschäftigten zugrunde legen: Wir müssen im Wettbewerb um die besten Köpfe ein besserer, attraktiverer Arbeitgeber werden!

Jörg-Michael Schrader:

Sowohl Personal als auch Digitalisierung fallen in meinen aktuellen Arbeitsbereich als Dezernent und müssen letztlich zusammen gedacht werden. Der demografische Wandel wird zwangsläufig dazu führen, dass bestimmte Stellen so oder so nicht besetzt werden können und de facto wegfallen. Wir werden also nicht nur im Sinne der Bürgerinnen und Bürger digitaler werden müssen, sondern auch um handlungsfähig zu bleiben.

Thema: Herzensprojekt

Nennen Sie uns bitte ein konkretes Ziel, welches Sie erreichen wollen, wenn Sie gewählt werden.

Ali Dogan:

Mein bisheriger Ansatz, sowohl im Arbeits- und Sozialministerium, als auch als Erster Beigeordneter und Sozialdezernent, war es „keinen Menschen zurückzulassen“. Daher werde ich mich mit Verve dafür einsetzen, dass wir mehr soziale Teilhabe aller Bevölkerungsschichten, angefangen bei der frühkindlichen Bildung bis hin zur Senioren- und Pflegeberatung ermöglichen.

Jörg-Michael Schrader:

Es ist nicht die Zeit für große Sprüche und ich bin auch sonst kein Mensch der falschen Versprechungen. Von der Stärkung des Radverkehrs über die Digitalisierung des Kreishauses bis hin zur Förderung des Ehrenamtes habe ich mir viel vorgenommen. Der entscheidendste Punkt ist, dass ich mit meiner Erfahrung für Kontinuität im Wandel sorgen will und den ganzen Kreis im Blick habe.